Das Finanzgericht Münster hat mit seinem Urteil vom 10.12.2020 entschieden, dass die dreimonatige Sperrfrist für zugezogene EU-Ausländer nicht gilt, wenn bereits vor Begründung des Wohnsitzes in Deutschland ein Anspruch auf Kindergeld bestand.

Die Klägerin zog im Juli des Jahres 2020 mit ihren beiden Kindern von Bulgarien nach Deutschland. Ihr Ehemann, der Vater der Kinder, lebte bereits seit Ende 2019 in Deutschland. Hier ging er einer Vollzeitbeschäftigung nach, während die Klägerin – seine Ehefrau – selbst nicht erwerbstätig war.

Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin für die ersten drei Monate (Juli bis September 2020) ab, weil diese keine laufenden inländischen Einkünfte erzielt habe. Ab Oktober 2020 erhielt Sie Kindergeld.

Der zuständige Senat des Finanzgerichts Münster gewährte der Klägerin auch für die Monate Juli bis September 2020 Kindergeld. Die vorgesehene dreimonatige Sperrfrist für nicht erwerbstätige EU-Ausländer ab Begründung eines Wohnsitzes im Inland greife im Streitfall nicht ein. Für die Begründung eines Wohnsitzes sei auch ein fiktiver Familienwohnsitz gemäß Art. 67 Satz 1 der EG-Verordnung Nr. 883/2004 ausreichend. Die Klägerin habe einen solchen fiktiven Wohnsitz bereits vor ihrem Zuzug nach Deutschland gehabt, weil ihr Ehemann hier gewohnt und gearbeitet habe. Dieses Verständnis entspreche auch dem Zweck der Sperrfrist, das deutsche Sozialsystem vor einer unangemessenen Inanspruchnahme zu schützen und eine Anreizwirkung des Kindergeldes für den Zuzug nach Deutschland zu vermeiden. Dieser Zweck könne nicht erfüllt werden, wenn bereits vor dem Zuzug ein inländischer Kindergeldanspruch bestanden habe. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht auf das Differenzkindergeld beschränkt, weil Deutschland wegen der Erwerbstätigkeit des Ehemannes vorrangig zuständig sei und daher kein bulgarischer Kindergeldanspruch bestehe.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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