Ist der Abzug des Veräußerungsfreibetrages gemäß § 16 Abs. 4 S. 1 EStG auch möglich, wenn der Betrieb aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung des Steuerpflichtigen zunächst befristet verpachtet und erst nach Ende der Pachtzeit veräußert wird?

Grundlagen: Freibetrag bei Betriebsveräußerung § 16 EStG

Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, so wird der Veräußerungsgewinn nur insoweit herangezogen, wie dieser 45.000 EUR übersteigt. Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal (im Leben) zu gewähren. Der Freibetrag vermindert sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 EUR übersteigt gemäß § 16 Abs. 4 EStG.  

Praxisbeispiel: Verpachtung des Betriebes aus gesundheitlichen Gründen

A ist Inhaber eines Friseursalons. Im Jahr 2017 erkrankt A an eine chronischen Krankheit, welche seine berufliche Tätigkeit stark einschränkt. Aus diesem Grund entscheidet sich A dafür eine Auszeit von seinem Betrieb zunehmen und verpachtet diesen an seinen leitenden Angestellten B für die Zeit vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2023. Nach dem Ablauf der Pachtdauer hat sich der gesundheitliche Zustand von A nicht gebessert, sodass sich A dazu entscheidet den Gewerbetrieb zum 31.12.2023 vollständig an den Angestellten B zu verkaufen. Der Veräußerungsgewinn beträgt 125.000 EUR und im Zeitpunkt der Veräußerung war A 53 Jahre alt.

Fraglich ist, ob A trotzdem einen Anspruch auf den Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG hat, obwohl er in den vorangegangenen Jahren seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgegangen ist und sein Betrieb von dem Mitarbeiter B fortgeführt wurde.

BFH-Urteil zu Freibetrag bei Veräußerung von Landwirtschaftlichen Betrieben

Nach der Rechtsprechung des BFH steht einem Steuerpflichtigen der Freibetrag nach § 16 EStG auch dann zu, wenn der Gewerbetrieb zunächst verpachtet und erst nach Ablauf des Pachtvertrages veräußert wurde. Ausschlaggebend ist nach Ansicht des BFH dabei, dass der Steuerpflichtige den Betrieb aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen verpachtet hat und nachdem der Steuerpflichtige Gewissheit darüber hat, ob er weiterhin berufsunfähig ist, den Betrieb veräußert hat (BFH, Urteil v. 13.3.1986, IV R 176/84, BStBl 1986 II S. 601). Das Urteil bezog sich zwar auf die Veräußerung eines landwirtschaftlichen Betriebes, jedoch gilt es für alle Gewinneinkunftsarten. Demnach auch für das Praxisbeispiel des Steuerpflichtigen A. Die zwischenzeitliche Verpachtung ändert nämlich nichts an der gesundheitlichen Lage von A. Würde A in der Zeit zwischen Beginn der Verpachtung und Ende insoweit genesen, dass eine gesundheitliche Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegt, würde auch ein Abzug des Freibetrages nach § 16 EStG entfallen. Ein Abzug des Freibetrages aufgrund der Vollendung des 55. Lebensjahres ist nämlich grundsätzlich lt. Praxisbeispiel auszuschließen (A ist 53 Jahre alt). Maßgeblich für die Gewährung des Freibetrages wäre also im vorliegenden Praxisbespiel die Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Diese muss dabei zum Zeitpunkt des Erfüllungsgeschäftes (Betriebsveräußerung) vorliegen. Ein Abzug des Freibetrages vom Veräußerungsgewinn ist im Praxisbeispiel somit rechtswirksam möglich.

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