Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2022 wurde die ertragssteuerliche Befreiung von Photovoltaikanlagen erheblich ausgeweitet. In der Praxis sind in Folge der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes aber zahlreiche Fragen aufgekommen, zu denen die Finanzverwaltung durch das BMF-Schreiben nun Stellung nehmen will.

Hintergrund: Gesetzliche Änderung

Um den Ausbau von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) zu beschleunigen und gleichzeitig die hindernde Bürokratie abzubauen, hat der Gesetzgeber sowohl ertragssteuerliche als auch umsatzsteuerliche Erleichterungen für das Betreiben einer PV-Anlage beschlossen.

Zur genaueren Erörterung des umsatzsteuerlichen Nullsteuersatzes gemäß § 12 Abs. 3 UStG wurde bereits ein BMF-Schreiben vom 27.02.2023 verfasst. Nun erfolgt dies auch für die neue ertragssteuerliche Behandlung von PV-Anlagen.

Sachliche Anwendungsbereich – Begünstigte Photovoltaikanlagen

Zur Ermittlung der Steuerbefreiung von PV-Anlagen ist auf die Bruttoleistung nach dem Marktstammdatenregister in Kilowatt (peak) abzustellen.

Da der Gesetzgeber die maximale steuerfreie Leistung von PV-Anlagen aber nicht einheitlich geregelt hat, ist vielmehr die Art des Gebäudes entscheidend:

Art des GebäudesMaximale maßgebliche Leistung der Anlage(n) in kW (peak) je Steuerpflichtiger/Mitunternehmerschaft (gebäudebezogene Betrachtung)
Einfamilienhaus (§ 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG)30,00
Wohnzwecken dienendes Zwei- /Mehrfamilienhaus (§ 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe b EStG)15,00 je Wohneinheit
Gemischt genutzte Immobilie (§ 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe b EStG)15,00 je Wohn-/Gewerbeeinheit
Nicht Wohnzwecken dienendes Gebäude, z. B. Gewerbeimmobilie mit einer Gewerbeeinheit, Garagengrundstück (§ 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG)30,00
Gewerbeimmobilie mit mehreren Gewerbeeinheiten (analog § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe b EStG)15,00 je Gewerbeeinheit

Bei der Prüfung der Anzahl von Wohn-/Gewerbeeinheiten in einem Gebäude ist regelmäßig auf die selbstständige und unabhängige Nutzbarkeit des Gebäudeteiles abzustellen.

Außerdem ist es nicht erforderlich, dass der Betreiber der PV-Anlage auch Eigentümer des Gebäudes ist. Eine Steuerbefreiung nach §3 Nr. 72 EStG kommt auch bei fremdgenützten Gebäuden infrage.

Zur besseren Beurteilung, ob eine PV-Anlage nun steuerbefreit, sind hat das BMF-Schreiben auch einige Beispiele zur Einordnung gegeben:

Steuerfrei sind z.B.:

  • Der Steuerpflichtige hat auf drei Einfamilienhäusern jeweils eine Anlage mit einer

maßgeblichen Leistung von 25,00 kW (peak). Alle drei Anlagen sind begünstigt.

  • Der Steuerpflichtige hat auf einer gemischt genutzten Immobilie (ein Ladengeschäft

und zwei Wohnungen) eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 40,00 kW

(peak), damit unter den zulässigen 45,00 kW (peak) für drei Einheiten, und daneben

auf einer Gewerbeimmobilie eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 20,00

kW (peak). Beide Anlagen sind begünstigt.

  • Der Steuerpflichtige hat auf einem Zweifamilienhaus eine Anlage mit einer

maßgeblichen Leistung von 25,00 kW (peak) und auf einer Gewerbeimmobilie mit

drei Gewerbeeinheiten eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 45,00 kW

(peak). Beide Anlagen sind begünstigt.

  • Sowohl die Ehefrau A als auch der Ehemann B betreiben auf ihrem zu eigenen

Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen

Leistung von 16,00 kW (peak). Beide Anlagen sind begünstigt.

Nicht Steuerbefreit dahingegen sind z.B.:

  • Der Steuerpflichtige hat auf seinem Einfamilienhaus eine Anlage mit einer

maßgeblichen Leistung von 34,00 kW (peak).

  • Der Steuerpflichtige hat auf seinem Haus mit zwei Wohneinheiten und der dazugehörigen Garage jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 15,10 kW

(peak). Beide Anlagen sind nicht begünstigt, da deren maßgebliche Leistung

insgesamt mit 30,20 kW (peak) die für diese Gebäudeart zulässigen 30,00 kW (peak)

überschreitet.

  • A und B sind Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten.

A betreibt auf dem Pultdach des Hauses eine Anlage mit 50,00 kW (peak) und B auf

den dazugehörigen Garagen eine Anlage mit 10,00 kW (peak). Die Anlage des A

überschreitet die maßgebliche Leistung von 45,00 kW (peak) für das Mehrfamilienhaus einschließlich der Garagen und ist daher nicht begünstigt. Die Anlage des B ist

dagegen begünstig

  • Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind unabhängig von ihrer Größe nicht begünstigt.

Sachlicher Anwendungsbereich – Umfang der Steuerbefreiung

Steuerbefreit sind alle Einnahmen und Entnahmen unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms. Zu den Einnahmen gehören dabei:

  1. Die Einspeisevergütung
  2. Entgelte für anderweitige Stromlieferungen, z. B. an Mieter,
  3. Vergütungen für das Aufladen von Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugen,
  4. Zuschüsse und
  5. bei der Einnahmenüberschussrechnung vereinnahmte und erstattete Umsatzsteuer.

Unter die steuerbefreiten Entnahmen fällt die Nutzung des erzeugten Stroms für betriebsfremde Zwecke z.B. Zu eigenen Wohnzwecken genutzte Räume oder unentgeltlich überlassene Räume. Weiterhin zu den steuerbefreiten Entnahmen zählt die Nutzung des Stroms zur Erzielung anderer Einkunftsarten. Hierzu zählt in der Praxis häufig die energetische Versorgung des häuslichen Arbeitszimmers. Darüber hinaus liegt eine steuerbefreite Entnahme auch vor, wenn mit dem erzeugten Strom ein Elektro- oder Hybridelektrofahrzeug geladen wird, welche nicht zum Betriebsvermögen gehören.

Der Verkauf einer PV-Anlage entfällt ebenfalls unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist jedoch, dass der Betrieb ausschließlich steuerfreie Einnahmen und Entnahmen aus dem Betrieb von PV-Anlagen im Sinne des § 3 Nr. 72 EStG erzielt.   

Prüfung der Höchstgrenzen

Die Einhaltung der Höchstgrenzen des § 3 Nr. 72 EStG wird in einem zweistufigen Verfahren geprüft:

  1. Objektbezogene Prüfung – Insbesondere ob die Grenzen der betriebenen PV-Anlage für die jeweilige Gebäudeart eingehalten wurden (siehe Tabelle).
  2. Subjektbezogene Prüfung – Insbesondere ob die personenbezogenen Höchstgrenzen von 100 kW (peak) vom steuerpflichtigen bzw. Mitunternehmer eingehalten wurden. Hierzu sind die Leistungen alles steuerbefreiten Anlagen des Steuerpflichtigen oder Mitunternehmer zusammenzurechnen.

Beispiel 1

Ein Steuerpflichtiger betreibt zwei Anlagen mit einer maßgeblichen Leistung von 30,00 kW (peak) auf je einem Einfamilienhaus und eine Freiflächenphotovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kW (peak).

Die Freiflächenphotovoltaikanlage ist nicht in die Prüfung der 100,00 kW (peak)- Grenze einzubeziehen. Die beiden Anlagen auf den Einfamilienhäusern sind deshalb nach § 3 Nummer 72 Satz 1 Buchstabe a EStG begünstigt.

Abwandlung

Der Steuerpflichtige betreibt zusätzlich eine vierte Photovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kW (peak) auf einem Haus mit zwei Wohneinheiten.

Da die vierte Anlage bereits dem Grunde nach nicht unter § 3 Nummer 72 EStG fällt, da die maximale maßgebliche Leistung für diese Gebäudeart von 30,00 kW (peak) überschritten ist, ist diese Anlage ebenfalls nicht in die Ermittlung der 100,00 kW (peak)- Grenze einzubeziehen.

Ist ein Steuerpflichtiger oder eine Mitunternehmerschaft, die eine begünstigte PV-Anlage nach § 3 Nr. 72 EStG betreiben, daneben an einer weiteren Mitunternehmerschaft beteiligt, welche Photovoltaikanlagen betreibt, sind diese Photovoltaikanlagen nicht zur Prüfung der 100 kW (peak)-Grenze des Steuerpflichtigen oder Mitunternehmers zu berücksichtigen.

Beispiel 2

T betreibt eine Anlage mit 25 kWp auf einem EFH und eine Anlage mit 30 kWp auf einem ZFH. Zudem ist er mit 50 % an der T+U-GbR beteiligt, welche vier steuerfreie PV-Anlagen mit jeweils 4 x 24 kWp betreibt. T bleibt unter der 100 kWp-Grenze, da keine Addition seiner beiden Anlagen mit 25 kWp bzw. 30 kWp und dem 50 %-Anteil an der GbR erfolgt. Und auch bei der GbR werden die Anlagen des T nicht mit einbezogen, sodass auch die GbR unter der 100 kWp-Grenze bleibt.

Die 100 kWp-Begrenzung ist eine Freigrenze. Wird diese überschritten, entfällt die Steuerbefreiung für alle PV-Anlagen komplett.

Unterjährige Änderung der Steuerbefreiung

Überschreitet der Steuerpflichtige oder Mitunternehmer die objekt- oder subjektbezogene Grenze des § 3 Nr. 72 EStG unterjährig, gilt die Steuerbefreiung ab diesem Zeitpunkt bzw. bis zu diesem Zeitpunkt. Dies kann insbesondere dann vorkommen, wenn sich ein bestehendes Gebäude um eine Wohn-/Gewerbeeinheit erweitert oder eine zusätzliche Anlage in Gebrauch genommen wird.

Beispiel 3

V betreibt auf einem Gebäude mit zwei Gewerbeeinheiten eine PV-Anlage mit 40 kWp. Durch einen Umbau befinden sich ab dem 1.8.2023 drei Gewerbeeinheiten in dem Gebäude. Die PV-Anlage ist noch bis zum 31.7.2023 steuerpflichtig, erstmals ab dem 1.8.2023 liegen die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vor.

Auswirkung auf § 7g EStG

Die Anwendung des Investitionsabzugsbetrages (IAB) nach § 7g EStG setzt die Führung einer betrieblichen Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht voraus. Werden in diesen Fällen jedoch ausschließlich steuerbefreite Einnahmen und Entnahmen aus PV-Anlagen gemäß § 3 Nr. 72 EStG erzielt, gilt für den IAB folgendes:

  1. In nach dem 31. Dezember 2021 endenden Wirtschaftsjahren scheidet die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen aus, da ein Gewinn nicht mehr zu ermitteln ist (§ 3 Nummer 72 Satz 2 i. V. m. § 7g Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a EStG).
  2. Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 1. Januar 2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31. Dezember 2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, sind nach § 7g Absatz 3 EStG rückgängig zu machen, wenn in nach § 3 Nummer 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde.
  3. Eine Bildung des IAB für PV-Anlagen ist somit nur noch möglich in Betrieben, dessen Zweck nicht nur in der Stromerzeugung aus PV-Anlagen liegt.

Betriebsausgabenabzugsverbot

In Folge der Steuerbefreiung von Einnahmen und Entnahmen aus dem Betrieb einer PV-Anlage gemäß § 3 Nr. 72 EStG sind auch die hierfür anfallenden Betriebsausgaben nicht mehr abzugsfähig (§ 3c Abs. 1 EStG). Eine Sonderbetrachtung gilt ausschließlich für den § 35a EStG. Für privatbetriebene PV-Anlagen besteht nach der Steuerbefreiung nun dennoch die Möglichkeit, Kosten der Reparatur oder Wartungsarbeiten etc. gemäß § 35a EStG steuermindernd zu berücksichtigen.

Entnahme PV-Anlagen zu Buchwert

Eine Übertragung der PV-Anlage zu Buchwerten ist nach § 6 Absatz 3 oder 5 EStG möglich, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Die Besteuerung von stillen Reserven ist hingegen jedoch nicht sichergestellt, wenn eine PV-Anlage übertragen wird, welche zuvor nicht nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreit ist und nach der Übertragung aber in den Genuss der Steuerbefreiung kommt. In diesen Fällen scheidet eine Übertagung zu Buchwerten aus. 

PV-Anlagen in anderweitigen Betriebsvermögen

Befindet sich die PV-Anlage im Betriebsvermögen eines Betriebes, welcher nicht ausschließlich eine PV-Anlage zur Stromerzeugung betreibt (z. B. Einzelhandelsgeschäft mit PV-Anlage auf dem Dach) gelten folgende abweichende Regelungen:

  1. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG gilt nur für Strom, welcher eingespeist, entnommen oder an Dritte veräußert wird. Für Betriebsausgaben, welche im Zusammenhang mit diesen Einnahmen bzw. Entnahmen entstanden sind, gilt auch das Betriebskostenabzugsverbot nach § 3c EStG.
  2. Betriebsausgaben dürfen im Zusammenhang mit der PV-Anlage abgezogen werden, wenn der erzeugte Strom ausschließlich im eigenen Unternehmen verbraucht wird.
  3. Die Bildung eines IAB für Bau einer PV-Anlage weiterhin möglich.
  4.   Wird der erzeugte Strom teilweise in einem anderen vom Steuerpflichtigen betriebenen Unternehmen verbraucht, ist zu prüfen, ob es sich um zwei unabhängige Unternehmungen handelt oder diese als ein Unternehmen zu betrachten sind. Ausschlaggebend ist dafür regelmäßig, wenn mehr als 50 % des erzeugten Stroms der PV-Anlage im anderen Betrieb verbraucht werden.

Zeitliche Anwendung Das BMF-Schreiben gilt für alle Einnahmen und Entnahmen, welcher ein Steuerpflichtiger bzw. Mitunternehmer mit einer PV-Anlage nach dem 31. Dezember 2021 erzielt hat. Diese Frist gilt auch für Unternehmen mit abweichendem Wirtschaftsjahr. Die zeitliche Einordnung von Einnahmen und Entnahmen aus der PV-Anlage sind nach den Grundsätzen der Gewinnermittlung zu bestimmen (z. B. nach Zufluss- und Abflussprinzip bei EÜR).

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