Wie eine Kindergeldgewährung nach Abschluss eines Erststudiums und Antritt eines berufsbegleitenden Zweitstudiums zu beurteilen ist, wird im Folgenden anhand des Streitfalls vor dem BFH dargelegt.

Streitfall: Finanzbeamtin mit anschließendem Jurastudium

Die Klägerin ist Mutter einer im Jahre 1999 geborenen Tochter, welche im August 2020 erfolgreich ihr duales Studium zur Diplom-Finanzwirtin abschloss. Anschließend nahm die Tochter eine Tätigkeit in der Finanzverwaltung auf, die sie zunächst Vollzeit (40 Wochenstunden) und ab Dezember 2020 in Teilzeit (28 Wochenstunden) ausübte. Gleichzeitig begann sie im Oktober 2020 mit einem Studium der Rechtswissenschaften. Die Familienkasse lehnte eine weitere Kindergeldgewährung mit Abschluss des dualen Studiums im August 2020 ab. Grund hierfür war einerseits, dass die Tochter mit dem Abschluss der Diplom-Finanzwirtin einen vollwertigen Ausbildungsabschnitt beendete und andererseits, dass sie anschließend, einer Erwerbstätigkeit über den gesetzlichen Grenzen von 20 Wochenstunden gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ausübte. Der § 32 Abs. 4 S.2 f. EStG besage nämlich, dass ein Kind nach dem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. -studiums nur berücksichtigt wird, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich. Das FG lehnte die anschließende Klage der Mutter gegen die Entscheidung der Familienkasse ab, wonach die Klägerin Revision gegen das getroffene Urteil einlegte.

BFH – Urteil (Urteil vom 07. April 2022, III R 22/21): Elterngeld bei berufsbegleitender Zweitausbildung

Der BFH stimmte dem FG in ihrer grundsätzlichen Entscheidung zu, dass im vorliegenden Sachverhalt kein Kindergeld zu gewähren ist. Zur Entscheidungsfindung stellte der BFH zunächst heraus, dass grundsätzlich zwei Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden können, wenn mehreren Faktoren erfüllt sind. Zunächst setzte eine einheitliche Erstausbildung einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen den beiden Berufsausbildungen voraus. Das FG hatte dabei nach Ansicht des BFHs richtigerweise geurteilt, dass ein solcher Zusammenhang im vorliegenden Sachverhalt vorliegt. Denn das Studium der Rechtswissenschaften wurde nur kurze Zeit nach Beendigung des dualen Studiums angetreten und weiße eine inhaltliche Nähe zum vorliegenden Ausbildungsabschnitt auf. Weiterhin ist für eine zusammenhängende Erstausbildung relevant, ob die Berufsausübung hinter der Berufsausbildung zurücktritt. Dafür wurde zunächst das zeitliche Verhältnis der Berufsausbildung zur Erwerbstätigkeit geprüft. Hierbei ließ sich keine genaue Aussage treffen, weshalb dieses Kriterium als neutral einzustufen ist. Daneben ist von Bedeutung, ob das Kind mit der nach dem ersten Ausbildungsabschnitt aufgenommen Berufstätigkeit bereits die erlangten Qualifikationen nutze. Dieses Kriterium sei in diesem Streitfall erfüllt, vor allem da die Tochter langfristig an die Finanzverwaltung gebunden wurde. Bei einer frühzeitigen Beendigung dieser Tätigkeit hat die Absolventin nämlich ihre anteiligen Studiengebühren zurückzubezahlen. Dies spricht daher für eine im Vordergrund stehende Berufsausübung. In einer Gesamtbetrachtung entschied der BFH deshalb, dass die Berufsausübung der Berufsausbildung übergeordnet ist. Außerdem lag der Umfang der ausgeübten Erwerbstätigkeit über den gesetzlichen Grenzen von 20 Wochenstunden gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 EStG. 

Alle Informationen nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr. Für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen kann keine Gewähr übernommen werden. Diese Information ersetzt nicht die individuelle Beratung!