Grundsätzlich gilt, dass stille Reserven, welche bei der Veräußerung von Anlagevermögen aufgedeckt werden, nur dann übertragbar sind, wenn sie mindestens 6 Jahre zum Betriebsvermögen gehört haben. Doch was ist bei dem Betriebserwerb innerhalb der 6 – Jahresfrist zu beachten?
Hintergrund: 6 – Jahresfrist beim Kauf eines Betriebes
Voraussetzung für die Anwendung des § 6b EStG ist, dass eine Zugehörigkeit von mindestens 6 Jahren zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte besteht (§ 6b Abs. 4 S.1 Nr. 2 EStG). Nach der Rechtsprechung des BFH wurde diese Voraussetzung jedoch insoweit spezifiziert, als dass das zu veräußernde Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen des veräußernden Steuerpflichtigen gehören muss (BFH, Urteil v. 10.7.1980, IV R 136/77, BStBl 1981 II S. 84). Somit ist eine Zugehörigkeit zu irgendeiner inländischen Betriebsstätte nicht ausreichend. Wird der Geschäftsbetrieb also vollentgeltlich von einem Unternehmer zum anderen Unternehmer veräußert, werden die stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aufgedeckt und die 6 Jahresfrist nicht gewahrt. Folglich muss der Veräußerer die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens also erneut 6 Jahre in seinem Geschäftsbetrieb halten, bevor ein Anspruch auf den § 6b EStG besteht.
6 – Jahresfrist: Unentgeltlichen Übertragung des Geschäftsbetriebes
Eine unentgeltliche Übertragung des Geschäftsbetriebes erfolgt zum Beispiel durch Erbe, vorweggenommene Erbfolge oder Schenkung. Dabei besteht die Ausnahme, dass die 6 Jahresfrist vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger übertragen wird. Im Erbfall spricht man von einer Gesamtrechtsnachfolge, sodass der Rechtsnachfolger in die Rechtsstellung seines Vorgängers tritt. Dies gilt gleichermäßen für die übertragenen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und deren Besitzzeit.
Bei der Einzelrechtsnachfolge (z.B. vorweggenommene Erbfolge oder Schenkung) wird die 6 – Jahresfrist nur dann übertragen, wenn der Rechtsnachfolger die Buchwerte des Rechtsvorgängers übernimmt. Erfolgt eine Übernahme der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens stattdessen zum gemeinen Wert werden die stillen Reserven aufgedeckt und der Anspruch auf den § 6b EStG entfällt.
6 – Jahresfrist bei teilentgeltlicher Betriebsveräußerung
Die teilentgeltliche Veräußerung beschreibt die Tatsache, dass bei einer Betriebsveräußerung der Veräußerungspreis niedriger als der gemeine Wert ist. Vorzufinden ist diese Option vor allem unter Verwandten. Der BFH hat bezüglich der 6 Jahresfrist in diesen Fällen festgelegt, dass die Einheitstheorie Anwendung findet. Dieser unterscheidet je nach Höhe des Teilentgeltes folgende Rechtsfolgen:
- Erreicht das Teilentgelt höchstens den Buchwert des Betriebes, werden keinerlei stillen Reserven aufgedeckt. Somit ist dieser Vorgang gemäß § 6 Abs. 3 EStG als unentgeltliche Übertragung anzusehen und die Besitzzeit der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu übertragen (BFH, Beschluss v. 28.8.2001, VIII B 54/01, BFH/NV 2002 S. 24 Rn. 13).
- Liegt das gezahlte Teilentgelt über dem Buchwert des Betriebes aber unter dem gemeinen Wert, werden stille Reserven teilweise, aber nicht vollständig aufgedeckt. Folglich kommt es zu einer Buchfortführung und einer Realisation der stillen Reserven. Grund dafür ist die Einheitstheorie (teilentgeltliches Geschäft wie vollentgeltliche Betriebsübertragung behandeln), welche bei einer teilentgeltlichen Übertragung angewendet wird, um den Veräußerungsgewinn (§ 16 Abs. 2 EStG) bzw. die Buchwerte und Anschaffungskosten zu ermitteln. Demnach werden durch die einheitliche Übertragung des Geschäftsbetriebes auch nichtaufgedeckte stille Reserven übertragen, soweit der Veräußerungspreis hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt, und es entsteht eine steuerliche Verstrickung der alten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im neuen Geschäftsbetrieb. Die Finanzverwaltung vertritt dabei die Ansicht, dass bei einer Betriebsveräußerung auch die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gemäß dem Anspruch auf § 6b EStG in einen unentgeltlichen und entgeltlichen Teil aufzuteilen ist (BMF, Schreiben v. 13.1.1993, BStBl 1993 I S. 80 Rn. 37, 41). Folgt man aber der Einheitstheorie und geht von einem einheitlichen Anschaffungsvorgang aus, müsste ab Betriebserwerb die 6 – Jahresfrist von neuem laufen (BFH, Urteil v. 7.11.2000, VIII R 27/98, BFH/NV 2001 S. 262; vgl. auch Strahl, FR 2001 S. 1154, 1157).