Besteht eine Abzugsmöglichkeit für Werbungskosten, die einem Arbeitnehmer während dem Bezug von Insolvenzgeld entstanden sind?
Was ist das Insolvenzgeld?
Wenn ein Arbeitgeber aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten ganz oder teilweise den Arbeitslohn seiner Mitarbeiter nicht zahlen kann, besteht ein Anspruch auf Insolvenzgeld für betroffene Arbeitnehmer. Dies setzt ein Insolvenzverfahren des Arbeitsgebers voraus. Der Zweck des Insolvenzgeldes ist dabei, das ausgefallene Arbeitsentgelt zu ersetzen. Die Zahlung erfolgt einmalig von der Bundesagentur für Arbeit.
Problem: Steuerfreiheit von Insolvenzgeld
Das bezogene Insolvenzgeld eines Arbeitnehmers, anstelle des Arbeitsentgeltes, ist von der Einkommenssteuer gemäß § 3 Nr. 2 Buchst. B EStG befreit. Für die Einkommensteuerklärung ist jedoch zu beachten, dass die Lohnersatzleistung dem Progressionsvorbehalt unterliegt (§32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. A EStG) und somit die zu zahlende Einkommenssteuerlast erhöht. Fraglich ist dabei, ob ein Arbeitsnehmer, welcher das Insolvenzgeld bezogen hat, ebenfalls Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Anspruchszeitraum geltend machen kann. Denn ein Problem stellt dabei § 3c Abs. 1 EStG dar, wonach Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Werbungskosten abgezogen werden dürfen.
Beispiel für Insolvenzgeldbezug
A war bei der B-GmbH beschäftigt, über deren Vermögen Ende 2020 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In dem Zeitraum von Januar bis März 2021 wurde von der B–GmbH kein Arbeitslohn an A ausgezahlt. Deshalb hat A für den genannten Zeitraum von der Bundesagentur für Arbeit das sog. Insolvenzgeld steuerfrei bezogen. Im April 2021 ist A dann bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt.
In der Einkommenssteuererklärung 2021 setzte A Werbungskosten von insgesamt 1.300 EUR an. Davon entfallen 360 EUR auf die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in den Zeitraum von Januar bis März 2021 (Insolvenzgeldbezug).
Rechtsprechung BFH zum Konkursausfallgeld
Die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 EStG als Werbungskosten aus nicht selbständiger Arbeit abzuziehen, auch wenn der Arbeitnehmer Konkursausfallgeld bezieht. Laut BFH-Urteil besteht nämlich zwischen den beanstandeten Werbungskosten und dem Konkursausfallgeld kein unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang, wie es der § 3c EStG vorsieht (BFH, Urteil v. 23.11.2000, VI R 93/98, BStBl 2001 II S. 199). Nach Auffassung des BFH muss aber genau ein solcher unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den steuerfreien Einnahmen und den Ausgaben bestehen, damit ein Werbungskostenabzug nicht möglich ist. Im Sinne des BFH steht der § 3c EStG somit nicht dem Abzug der Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Wege. Die Begründung dafür ist, dass die Aufwendungen nicht zur Erzielung des Konkursausfallgeldes getätigt wurden, sondern die Fahrten dienen der Erbringung der arbeitstäglich geschuldeten Dienstleistung. Ein Abzug ist somit legitim.
BFH- Rechtsprechung auch auf Insolvenzgeld anwendbar
Die BFH-Rechtsprechung zum Konkursausfallgeld gilt entsprechend für das Insolvenzgeld (vgl. Pust, HFR 2001 S. 433 und Fuhrmann in Korn, EStG § 9 Rn. 163). Bezogen auf das Beispiel wäre somit ein Werbungskostenabzug in Höher der Fahrtkosten, auch während des Bezuges vom Insolvenzgeld (Januar bis März 2021) möglich.
Wichtig zu beachten ist dabei, dass die Rechtsprechung auch auf andere Werbungskosten des Arbeitnehmers übertragbar ist, die während der Dauer des Bezuges des Insolvenzgeldes angefallen sind, wie Beispielsweise der Erwerb von Arbeitsmitteln oder die Abschreibungen für betriebliche genutzte Wirtschaftsgüter (vgl. Pust, HFR 2001 S. 433).